Der Klimawandel – Wachrütteln mit allen Mitteln?
Der Klimawandel ist keine Zukunftsmusik mehr, er ist längst in vollem Gange. Überschwemmungen, Hitzewellen, Dürreperioden – die Auswirkungen sind längst spürbar, und die Dringlichkeit, etwas zu verändern, ist enorm. Aber wie wecken wir die Gesellschaft, wenn politische Maßnahmen ausbleiben oder viel zu langsam umgesetzt werden? Ich erinnere mich gut an meine eigene Jugend, an die Proteste und Demos, bei denen wir uns zusammengefunden haben, um auf die Missstände in unserer Umwelt aufmerksam zu machen. Damals ging es um Themen wie Atomkraft, später dann um den Schutz von Naturgebieten. Ich war dabei, als Aktivist, der die Stimme erheben wollte, damit etwas passiert. 1984 war ich ein Teil der Besetzung der Hainburger Au – eines der bedeutendsten Umweltproteste dieser Zeit. Wir kämpften nicht nur für den Erhalt von Naturgebieten, sondern auch für eine Gesellschaft, die endlich Verantwortung übernimmt. Heute, als Naturpädagoge und jemand, der sich weiterhin für den Umweltschutz starkmacht, ist es für mich klar: Aktivismus ist notwendig, um den Wandel zu erzwingen. Aber auch ich frage mich: Wie weit darf dieser Aktivismus gehen? Und vor allem: Wie geht die Gesellschaft mit ihm um?
Ein aktueller Fall, der mich nachdenklich stimmt, ist der von Anja Windl, einer deutschen Klimaaktivistin, die nun Österreich verlassen soll. Ihr droht ein Aufenthaltsverbot, da ihre Beteiligung an Protestaktionen der „Letzten Generation“ als „schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit“ angesehen wird. Doch was genau ist das Problem an ihrem Protest? Es ist nicht so, dass sie mit Gewalt oder Terror agiert – ganz im Gegenteil. Ihre Aktionen sind friedlich, sie will nur auf das dringende Problem des Klimawandels aufmerksam machen. Wie kann es sein, dass ein solcher Protest als Bedrohung wahrgenommen wird?
Die Frage, die sich mir stellt, ist: Ab welchem Punkt wird Aktivismus kriminalisiert, und warum passiert das so oft in unserer Gesellschaft? Friedlicher Widerstand gegen politische Untätigkeit wird schnell als störend oder gefährlich dargestellt. Dabei ist es gerade der zivile Widerstand, der immer wieder gesellschaftliche Veränderungen herbeigeführt hat. Erinnern wir uns nur an die Besetzung der Hainburger Au, die Ende der 1980er Jahre als ein entscheidender Moment in der österreichischen Umweltgeschichte gilt. Es war ein Kampf für die Natur, für den Erhalt eines einzigartigen Ökosystems. Der Protest war friedlich, und trotzdem wurde er von vielen als Bedrohung angesehen. Heute blicken wir auf diesen Moment als einen Wendepunkt, der entscheidend dazu beigetragen hat, den Umweltschutz in Österreich voranzubringen.
Kritisch wird es, wenn der Staat beginnt, Protestierende wie Windl als Gefahr darzustellen. Ist das nicht ein gefährlicher Schritt in Richtung einer Kriminalisierung von Zivilcourage? Es gibt in unserer Gesellschaft eine Tendenz, diejenigen, die den Finger in die Wunde legen, als Störer zu sehen. Doch was passiert, wenn wir die Menschen, die uns auf Missstände aufmerksam machen, mundtot machen? Wenn wir ihnen den Raum nehmen, um ihre Anliegen öffentlich zu äußern, dann laufen wir Gefahr, den Dialog zu ersticken.
Natürlich müssen wir uns auch die Frage stellen, wie weit Protest gehen darf. Ich persönlich finde, dass es immer dann ein Problem wird, wenn Menschenleben gefährdet werden. Aber zu behaupten, Aktivist:innen wie Windl seien eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, weil sie auf eine Klimakrise hinweisen, die längst nicht mehr zu leugnen ist, ist absurd. Es ist die Gesellschaft und die Politik, die versagt hat, Lösungen zu finden, nicht die, die uns darauf aufmerksam machen.
Und hier kommt eine Dimension ins Spiel, die ich ebenfalls nicht unerwähnt lassen möchte: Es ist nicht zufällig, dass solche „terroristischen“ Anschuldigungen gegen Klimaaktivist:innen häufig aus rechten politischen Kreisen kommen. Was bedeutet es, wenn rechte Parteien solche Narrative aufgreifen und den Protest als Bedrohung der öffentlichen Ordnung darstellen? Ich finde, das ist ein gefährlicher Trend. Die Kriminalisierung von Aktivismus durch politische Akteure, die vor allem den Status quo bewahren wollen, entzieht uns nicht nur eine wichtige Form des Widerstands, sondern zeigt auch, wie sehr politische Agenden manipuliert werden können, wenn die Wahrheit unbequem wird.
In einer Demokratie sollte es keinen Platz für die Kriminalisierung von Protest geben. Vielmehr muss der Dialog gesucht werden, auch wenn er unangenehm ist. Der Fall Windl macht klar, dass wir uns hier nicht nur mit einer Einzelperson, sondern mit einer breiten gesellschaftlichen Debatte auseinandersetzen müssen: Wie gehen wir mit Aktivismus um? Ist es gerechtfertigt, Aktivist:innen aus der Gesellschaft auszuschließen, nur weil ihre Botschaft unbequem ist?
Ich habe in meiner Jugend viele Proteste miterlebt und war Teil dieser Bewegung. Heute setze ich mich als Naturpädagoge weiterhin für den Klimaschutz ein und frage mich: Wenn wir jetzt nicht aufstehen und handeln, wann dann? Aktivismus ist ein wichtiger Bestandteil einer lebendigen Demokratie. Solange er friedlich bleibt, ist er ein Zeichen für das Engagement der Menschen, die für ihre Zukunft und für den Planeten kämpfen. Die Frage ist nicht, ob dieser Aktivismus gerechtfertigt ist, sondern wie wir als Gesellschaft auf ihn reagieren wollen. Denn eines ist sicher: Wenn wir den Aktivist:innen jetzt den Mund verbieten, haben wir die nächste Generation von Protestierenden bereits zum Schweigen gebracht.
Fazit:
Der Aktivismus von Anja Windl und vielen anderen ist eine Reaktion auf eine Welt, die den Klimawandel nicht ernst genug nimmt. Sie haben Recht, auf die Dringlichkeit hinzuweisen. Und wir müssen uns die Frage stellen: Wie wollen wir als Gesellschaft darauf reagieren? Will die Politik den Dialog mit den Protestierenden suchen oder sie zum Schweigen bringen? Die Zukunft unseres Planeten hängt von der Antwort auf diese Frage ab.
Für weitere Informationen zu diesem Fall, siehe den Artikel auf Der Standard.
Bild-Quelle Klimaaktivistin Anja Windl im September 2023 bei einer Kundgebung in Wien.
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